Für alle statt für wenige


Kolumne von KR Eva B. Keller – Hoffen und Vertrauen

23.Mai.2016

In losen Abständen veröffentlichen wir hier jene Kolumnen, die unsere Kantonsrätin und Theologin Eva B. Keller für die ZSZ schreibt. 

Haben Sie sich in den nasskalten Tagen des Mai auch nach Wärme und Sonnenlicht gesehnt? Oder sind Sie gar nicht wetterfühlig? Vielleicht konnten Sie der unangenehmen Kälte entfliehen und das schöne Wetter aufsuchen.

Wir wissen, dass das Wetter immer wieder wechselt. Mit einer Formulierung der Bibel können wir sagen: Sonnenschein hat seine Zeit, Regen hat seine Zeit, Wärme hat ihre Zeit, Kälte hat ihre Zeit (vgl. Prediger 3). Die Wetterprognosen lassen uns auf ein sonniges Wochenende hoffen. Auch wenn sie nicht immer ganz genau stimmen, so vertrauen wir ihnen.

Wärme und Licht können wir auch im übertragenen Sinn verstehen.

Wir sehnen uns nach Wärme im zwischenmenschlichen Bereich. Wir möchten freundlich behandelt werden. Wir wünschen uns, dass die andern uns zuhören. Wir möchten verständnisvoll angenommen werden. Wir wollen nicht Streit, sondern sachliche Diskussionen. Mord und Gewalttaten lassen uns erschaudern.

Wenn uns Unrecht geschieht und es dazu noch vertuscht wird, sehnen wir uns nach Klarheit. Wir möchten, dass Licht eindringt in dunkle Mauscheleien. Ungerechtigkeit und Unklarheit machen uns unsicher. Was uns Angst macht, empfinden wir als dunkel.

Gibt es da auch eine „Prognose“, die uns hoffen lässt und auf die wir vertrauen können?

Den Menschen, die die Bibel schrieben, ging es wie uns heute. Sie sehnten sich ebenso nach Wärme und Licht wie wir, gerade weil sie oft viel Gewalt und Ungerechtigkeit durch fremde Mächte oder sogar in den eigenen Reihen erlebten.

In ihren Texten schreiben sie dagegen an. Sie scheuen sich nicht, zu klagen und anzuklagen. Sie sprechen dabei eine deutliche Sprache. Aber sie gehen noch weiter.

Es gelingt ihnen, beeindruckende Bilder der Hoffnung zu formulieren, die ihnen Vertrauen in die Zukunft geben. Fast wie ein Leitmotiv heisst es in den Psalmen immer wieder: „Ich vertraue auf Gott.“ Von Gott kommt die erhoffte Wärme, von ihm kommt das ersehnte Licht. Da ist kein ständiges Auf und Ab wie beim Wetter, sondern am Schluss sind die göttliche Wärme und das göttliche Licht vollkommen da. Bildhaft wird das ausgedrückt, wenn es heisst, dass dann weder Sonne noch Mond scheinen müssen (Offenbarung 21,23).

Mit Blick auf dieses Ziel suchen die Bibelautoren nach einem Umgang mit den Mitmenschen, der schon jetzt – wenn auch noch völlig unvollkommen – etwas von dieser Wärme und diesem Licht erahnen lässt. Jesus fasst diesen besonderen Umgang im Gebot der Nächstenliebe zusammen, die gerade auch dem Menschen gilt, der uns als Fremder begegnet.

Wir sind der Kälte und dem Dunkel in unserer Zeit nicht einfach nur ausgeliefert. Worte der Hoffnung stärken uns, selber etwas Wärme und Licht hineinzubringen.

 




SP vor Ort